Kurz nach dem Start bricht ein Kabinenteil einer wenige Wochen alten Boeing ab. Die US-Luftfahrtbehörde erteilt ein Flugverbot – erneut. Die wichtigsten Antworten
Von Meike Laaff
Mitten im Flug reißt plötzlich ein Kabinenteil einer Boeing 737 Max ab. Die Notlandung des Passagierfliegers von Alaska Airlines mit 177 Menschen an Bord gelingt. Es ist nicht der erste Vorfall mit dem Flugzeugtyp – und wieder hat er Folgen. Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Was ist passiert?
Am Freitagabend ist in den USA bei einer erst wenige Wochen alten Boeing 737 Max 9 der Fluggesellschaft Alaska Airlines von Portland nach Ontario in Kalifornien kurz nach dem Start ein Kabinenteil herausgebrochen. Den Flugdaten zufolge befand sich die Boeing zu diesem Zeitpunkt in mehr als 4.800 Metern Höhe.
Medienberichten zufolge löste sich ein Fensterteil und flog davon. Passagiere berichteten der Zeitung The Oregonian von einem großen Knall, dann sei Luft durch das Loch eingeströmt. Das Kabinenpersonal sprach nach Angaben der Flugaufsicht von einem Problem mit dem "Druck".Mehrere Medien und Journalisten veröffentlichten Foto- und Videoaufnahmen aus dem Flugzeug, auf dem zu sehen ist, dass ein Teil der Seitenwand des Flugzeugs abgerissen wurde, sodass ein großes Loch am seitlichen Rumpf der Maschine entstand.
Die Maschine sei mit 171 Passagieren und sechs Besatzungsmitgliedern wieder nach Portland zurückgekehrt. Die Piloten konnten die Maschine notlanden, schwer verletzt wurde offenbar niemand.
Die Vorsitzende des National Safety Transportation Board (NSTF) gab laut einem Bericht derNew York Timesan, dass ein sogenannter Türstopfen abgerissen sei. Solch ein Stopfen würde laut dem Bericht in Maschinen eingebaut, die für weniger als die maximal zulässige Anzahl von Sitzen konfiguriert sind und die dementsprechend nicht alle ursprünglich für das Flugzeug eingeplanten Ausgänge benötigen. Warum sich dieses Teil habe lösen können, versuche man nun in der weiteren Untersuchung zu klären.
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Das Flugzeug ist seit November auf Linienflügen genutzt worden, wie aus Onlineaufzeichnungen der US-Luftfahrtbehörde FAA hervorging. Laut Flightradar24 war es seither 145-mal im Einsatz.
Was genau sagt die US-Flugbehörde?
Nach der Notlandung der Boeing 737 Max 9 im Bundesstaat Oregonordnete die US-Flugaufsichtsbehörde (FAA) für rund 170 Maschinen des Typs ein vorübergehendes Flugverbot an: Die Behörde teilte am Samstag mit, es seien sofortige Inspektionen bestimmter Exemplare dieses Modells nötig, erst danach könnten die betroffenenFlugzeuge wieder in Betrieb gehen. Diese würden vier bis acht Stunden proFlugzeug in Anspruch nehmen, teilte die FAAineinem Post beim Kurznachrichtendienst X mit. Dies gelte für Maschinen, dievon US-Fluggesellschaften betrieben werden oder auf US-amerikanischemTerritorium unterwegs seien.
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Zuvor hatte bereits die US-Fluglinie Alaska Airlinesangekündigt, ihre Flugzeuge der Baureihe vorerst am Boden zu lassen. "Vorsorglich"würden alle 64 Boeing-737-Max-9-Flugzeuge der eigenen Flotte aus dem Verkehrgezogen, teilte der Chef von Alaska Airlines, Ben Minicucci, mit. DieFluggesellschaft United Airlines teilte mit, 45 Boeing-737-Max-9-Maschinenwürden vorübergehend aus dem Betrieb genommen, um die Überprüfung vorzunehmen.
Auch die Unfallermittlungsbehörde NTSB untersucht den Fall. Es wird erwartet, dass dies Monatedauern wird.
Was bedeutet das Verbot für Flugreisende?
In den USA waren die Auswirkungen unmittelbar spürbar: Alaska Airlines und United Airlines begannen, zahlreiche Flüge zu streichen. Unter Berufung auf den Dienst FlightAwareberichtetdie Washington Post von mehr als 100 gestrichenen Flügen bei Alaska Airlines.United Airlines habe über 60 Streichungen angekündigt.
Die Inspektion der Boeing-737-9-Modelle von Alaska Airlineswerde Tage dauern, zitiert die Zeitung den Airline-Geschäftsführer Ben Minicucci. Flugzeuge dieses Modells machten ein Fünftel der Flotte desUnternehmens aus.
Später zogen mehrere weitere Airlines nach: Turkish Airlines teilte mit, fünf Boeing 737 Max 9 seien "als Sicherheitsvorkehrung" zu Kontrollen zurückgerufen worden. Sie würden zunächst dort am Boden bleiben, wo sie landen.
Auch Aeromexico und die Fluggesellschaft Copa Airlines aus Panama erklärten, Maschinen vom Typ Boeing 737 Max 9 nicht mehr starten zu lassen. Icelandair teilte derweil mit, keine seiner Boeing 737 Max 9 weise die in der FAA-Anordnung angegebene Flugzeugkonfiguration auf.
Die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) hat dieRichtlinie der US-amerikanischen Federal Aviation Administration (FAA) übernommen, laut der eine sofortige Inspektion bestimmter Boeing-737-Max-9-Flugzeuge verlangt wird, bevor sie wieder fliegen dürfen.
Die EASA stellte jedoch fest, dass keineFluggesellschaft aus einem EU-Mitgliedsstaat "derzeit ein Flugzeug in der betroffenenKonfiguration betreibt". Die britische Flugsicherheitsbehörde hatte zuvorerklärt, sie würde von jedem Betreiber einer 737 Max 9 die Einhaltung derFAA-Richtlinie verlangen, um in ihren Flugraum einfliegen zu können.
Was ist die Boeing 737 Max 9?
Die Boeing 737 Max 9 ist ein sogenanntes Mittelstreckenflugzeug, das vor allem fürUS-Inlandsflüge häufig zum Einsatz kommt. Erste Maschinen von Boeings Max-Reihewurden 2017 in Betrieb genommen. Immer wieder kam es aber zu schwerwiegendenProblemen in Betrieb und Produktion. Dennoch gehört das Modell zu den meistverkauften des US-Flugzeugbauers.
Welche Probleme gab es in der Vergangenheit?
Aufgrund technischer Mängel waren 2018 und 2019 zweiBoeing-737-Max-8-Flugzeuge abgestürzt, insgesamt 346 Menschen starben. In der Folgewurde ein fast zweijähriges weltweites Flugverbot für alle Max-8- undMax-9-Flugzeuge verhängt. Sie durften erst wieder starten, nachdem Boeing einautomatisches Flugsteuerungssystem angepasst hatte, das bei den Abstürzen eine Rolle spielte. Für Boeing bedeutete das finanzielle Einbußen und Strafzahlungen in Milliardenhöhe.
Erst im April vergangenen Jahres wurde bekannt, dass Boeing eine "erheblicheAnzahl" von 737-Max-Modellen nicht ausliefern oder fertigstellen könne. Als Grundwurden Mängel bei einem wichtigen Zulieferer angegeben. Damals hieß es aber:Ein akutes Sicherheitsrisiko gebe es nicht, die Flotte im Flugbetrieb sei nichtbeeinträchtigt.
Im Dezember fordertedas Unternehmen die Fluggesellschaften auf, die Flugzeuge auf einemöglicherweise lose Schraube im Rudersteuerungssystem zu überprüfen.
